Avaris


 

Avaris Die Sturmreiter machten ihrem Namen alle Ehre. Wir reisten stets mit dem Wind, rasteten wenn es windstill war und brachen unsere Zelte ab mit dem ersten Wind des Morgens. Wir reisten mit den Wolken und dem Regen, blieben nie lange an einem Ort. Manche von uns flogen wie die Vögel mit ihren selbstgebauten Flügeln, wir anderen liessen uns auf Brettern oder Sandschiffen über die sandigen Dünen der verdorrten Einöde tragen. Fakt war, wir Sturmreiter blieben nie lange an einem Ort und gegenüber Fremden waren wir mehr als verschlossen. Wir Sturmreiter hinterliessen keine Spuren und reisten mit leichtem Gepäck. Wir waren meist passiv, beinahe friedlich, solange man uns auf unseren Reisen durch die Wüsten nicht störte. Die meisten Raider interessierten sich wenig für uns flüchtige Nomaden, die ohnehin kaum etwas zu bieten hatten. Wir waren ein abgeschiedenes, kleines Volk, griffen nie von uns aus an. Immer nur dann, wenn man uns bedrohte.

Unter ihnen befand ich mich, Avaris. Ich war die älteste Tochter der Anführer. Ich lernte von klein auf die Wege des Windes, um eines Tages in die Fussstapfen meiner Mutter treten zu können. Ich liebte die schönen Dinge im Leben. Das Geräusch flatternder Segel, das Trommeln des Regens auf die Zeltplanen. Der Schmuck, den ich zusammen mit meiner Familie herstellte, der Wind, der sich in meinen Klamotten und Haaren verfing. Ich liebte es mit meinem Sandboard über die Dünen des Ödlands zu düsen, getragen vom Wind. Doch am meisten liebte ich meine Familie, meine beiden Mütter und meinen Vater, meine drei jüngeren Geschwister. Das Leben draussen in der Ödnis war nicht einfach, doch zusammen schafften wir alles. Ich freute mich darauf eines Tages meine eigenen Flügel zu bauen und mich den Spähern anzuschliessen, die der irdischen Schwerkraft trotzten. Wann immer ich unter ihnen über den Sand segelte, blickte ich hoch zu ihnen und wünschte mir mit ihnen fliegen zu können. Irgendwann, so sagte ich mir, irgendwann würde ich mit ihnen fliegen.

Doch wie so oft da draussen im Ödland kam alles anders. Eigentlich begann der Tag ganz friedlich, doch schon früh morgens wehte ein heftiger Wind und dunkle Wolken kündeten einen Sturm an. Stürme waren etwas, woran wir angepasst waren, aber dieser hier war anders. Es war kein Sturm der Regen, Blitz und Donner über das Land brachte. Nein, es war die gefürchtetste Form eines Sturms. Ein Sturm aus Feuer und Asche, ein Sturm aus brennenden Chemikalien und giftigem Müll. Wir packten unsere Sachen so schnell wir konnten, doch der Sturm war da, innerhalb von wenigen Minuten. Ich spürte die Hitze auf meinem Gesicht. Die Hitze die von Sekunde zu Sekunde anschwoll, mir das Atmen erschwerte, weil sich meine Lungen anfühlten als verglühten sie von innen. Innert weniger Augenblicke holte der tosende Feuersturm uns ein. Unsere Fortbewegungsmittel waren nutzlos im Angesicht des drohenden Fegefeuers, also rannten wir. Wir rannten über den ausgedörrten Boden der Steppenhölle so schnell unsere Füsse uns trugen. An meiner Hand hatte ich meine jüngere Schwester, ich hörte ihre Schritte und ihr Keuchen - und auf einmal brach der Boden unter uns Weg. Der Sauerstoff in meiner Lunge reichte nicht zum Schreien, ich spürte nur die bodenlose Tiefe und einen scheinbar ewig langen Fall, bevor die eiskalte Dunkelheit mich umfasste.

Als ich wieder zu mir kam erinnerte ich mich nur vage an das Geschehene. Ich erinnerte mich daran, dass ich keuchend um Atem rang, als Wasser meine Lungen zu fluten drohte. Noch nie in meinem Leben musste ich schwimmen, meine nassen Klamotten zerrten an mir, wollten mich weiter in die Tiefe reissen. Für einen Augenblick dachte ich darüber nach es einfach geschehen zu lassen, hinab in die Dunkelheit zu sinken und es einfach akzeptieren. Doch ich konnte nicht aufgeben. Für meine Familie, für meinen Clan! Ich kämpfte mich an das Ufer des unterirdischen Salzsees und brach erschöpft zusammen. Wie lange ich da unten genau herumirrte konnte ich nicht sagen. Ich war hungrig und durstig, erschöpft und mir war kalt. Schritt für Schritt kämpfte ich mich weiter, bis ich letztlich durch ein Höhlensystem endlich wieder an die Oberfläche kam. Es war gespenstisch still. Kein brüllendes Fegefeuer, keine schreienden Leute. Nichts als kalte, graue Asche. Auf der Suche nach meiner Familie irrte ich zwei weitere Tage umher, ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass ich sie nie wieder sehen würde. Stattdessen fand ich einen Ort, vor dem die Sturmreiter mich stets gewarnt hatten. Dort lebten Menschen, doch man konnte ihnen nicht trauen. Die Sturmreiter blieben unter sich, sie trauten nun mal niemandem. Doch was für eine Wahl hatte ich? Mit letzter Kraft kämpfte ich mich zu den Toren des Shelters, wohl wissend, dass ich nichts zu bieten hatte ausser dem Schmuck an meinem Körper und meine geschickten Hände, mit denen ich anpacken konnte. Und die Fähigkeit den Wind zu lesen wie einen alten Freund.

 

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